Drei Wale

Drei Wale sind auf meinem Badewannenrand gestrandet. Ein paar Schaumblasen hängen noch an ihnen. Nach dem ein kleiner Mensch mit viel Schaum und guter Laune mit ihnen geplanscht und gespritzt hat, sind sie dann am auf dem Rand liegen geblieben während das schaumige Nass durch den Abfluss dem dunklen Abgrund unserer Kanalisation entgegen strebte.

Jetzt ist es ruhig im Badezimmer. Das Kinderlachen erklingt anderswo und die Wanne ist trocken gefallen. Nur ein paar letzte Blasen ganz unten am Fußende, unglücklich dazu verdammt eine nach der anderen zu zerplatzen erinnern an die lustige Schaumorgie des kleinen Menschen und der drei Wale.

Ein kleiner Mensch kann aus starrem Plastik noch ganze Welten voller Abenteuer und Leben erstehen lassen. Sie fliegen in seinen Händen über Berge und Täler aus weißem Schaum, der mal nach Honig und Zimt duftet und mal nach Mandarine oder Blütenzauber. Ein paar Minuten schafft es der kleine Mensch so, dem matschigen Herbstwetter vor dem Fenster mit einem Hakenschlag aus warmem Seifenwasser und Plastikwalen zu entkommen, um in Fantasiewelten zu schwelgen, in denen es schön und aufregend ist und das Leben wohlig duftet.

Wenn ich jetzt dreckige Wäsche aufsammle und draußen das schmuddelige Berliner Herbstwetter sehe, keimt in mir die Sehnsucht nach Sonnenschein und einer Wiese mit einem Baum unter den ich mich in Ruhe legen kann, um den Vögeln am Himmel zu zu sehen, wie sie in ständig wechselnden Bahnen über das klare Blau des Himmels segeln.

Ist es das gleiche? Ist meine Wiese vor dem Haus in der Sonne auch wie die Welt, in der Wale über weiß glitzernde Schaumgebirge fliegen?

Ich glaube die Antwort ist „ja, aber“. Denn wo der kleine Mensch es noch problemlos schafft komplett in seine Abenteuerträume hinein zu gleiten, wie sein Körper in der Badewanne ganz untertauchen kann, bleibe ich mit den Händen in der Schmutzwäsche oder mit dem Blick am Fenster kleben, ganz so wie mein Körper eben nicht mehr ganz in der Wanne untertauchen kann, sondern nur die Wahl bleibt, ob ich entweder die Beine oder den Kopf mit ins warme Wasser tauche.

Also kann ich zwar auch noch wie ein kleiner Mensch in meine Fantasie abtauchen, aber es bleibt ein Anker in der schmuddeligen Herbstwelt zurück, wie Knie, die aus der Wanne ragen.

Um weiter Bildlich zu sprechen: Meine Fantasie braucht eine größere Wanne um wieder mit Walen fliegen zu können.